2. Bundesliga
Spieltag 20 - 03. Februar 2012

SC Paderborn - 1. FC Union Berlin 3:2 (1:1)
Fear and Loathing in Paderboring erlebte Holger (Eiserner Messias)

Kaum sieben Minuten sollte das Fußballjahr 2012 für den 1.FC Union Berlin dauern, ehe die erste katastrophale Fehlentscheidung zu Ungunsten der rot-weißen Fußballgötter gefallen war. Mit einem simplen weiten Einwurf hatten die Paderborner die etwas schlafmützige Uniondefensive übertölpelt, woraufhin der ostwestfälische "Quick Nick" den sich bietenden Raum ohne Einwirkung Markus Karls dazu nutzte, formvollendet in unseren Strafraum zu hechten. Die Verblüffung aller wuchs ins Unermessliche, als daraufhin ein Elfmeterpfiff ertönte und wir frühzeitig ins Hintertreffen gerieten. Ein wirklich schlechter (Prosch-)witz! Und wahrlich, als wäre es nicht schon Strafe genug, an einem Freitagabend bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt auf dem Paderfeld bei Bieleborn in einer Fischkonservendose dem runden Leder nachjagen bzw. als Gästefan dort festfrieren zu müssen, machte sich das Schiedsrichtergespann samt ihres leitenden Angestellten Robert Kempter auch in der Folgezeit auf, dem Ganzen ein richtig schönes Krönchen aufzusetzen.

Zwar liegt der Abpfiff mittlerweile fünf Tage zurück, doch noch immer schaudert es mich, wenn ich an die Masse der Fehlentscheidungen zurückdenke. Der frühe Elfmeterpfiff gegen uns, ein glasklares Handspiel von Brückner im Strafraum und ein damit einhergehender verweigerter Elfmeterpfiff, ein zweites nicht geahndetes elfmeterverdächtiges Ziehen und Zerren gegen Silvio, das vermeintliche Foulspiel Madounis vorm 1:3, die gelb-rote Karte gegen Tusche, die es womöglich gar nicht gegeben hätte, wenn Herr Kempter sich selbst darüber im Klaren gewesen wäre, dass dieser Akteur schon gelbverwarnt war - und damit seien bisher lediglich die gröbsten Schnitzer aufgeführt. Ganz zu schweigen von einigen merkwürdigen Eckstoß- und Einwurfentscheidungen, ganz zu schweigen von einer mitunter arg kleinlichen Linie und kuriosen Foulspielentscheidungen (remember Tusches Körpereinsatz an der Eckfahne) und Bällen, die für jeden im Stadion befindlichen Menschen ersichtlich ein bis zwei Meter im Seitenaus waren - nur für das unparteiische Kollektiv in Diensten des DFB nicht. Kempterkempterkempter, hör mir auf mit Kempter. Auf dass dieser amaurotische Amateur vom Amarell (seinerseits väterlicher Freund der Familie) den Allerwertesten versohlt bekommen möge...
...und der Herr Madouni könnte dann bitte auch blank ziehen und sich neben Herrn Kempter einreihen. Ich persönlich bin ja eigentlich kein großer Fan von Einzelkritik, aber wenn man einem Christian Stuff vorgezogen wird, weil man "mehr redet, mehr Kommandos gibt", dann sollte man diesen Worten vielleicht auch irgendwann Taten folgen lassen und sich nicht einmal auf der linken, einmal auf der rechten Seite düpieren lassen wie Onkel Heinz auf Kaffeefahrt. So wurde Madouni zum größten Unsicherheitsfaktor in der Defensive und fiel als einziger Akteur in einer ansonsten guten und geschlossen auftretenden Mannschaft deutlich ab. Auf der anderen Seite der Leistungsskala positionierten sich derweil der quirlige und spielfreudige Ede auf der linken Seite sowie Mattuschka als Freistoßtorschütze zum 1:1 sowie als Ballverteiler, Takt- und Impulsgeber des eigenen Offensivspiels. Und auch Neuzugang Tijani Belaid wusste mich in seinen 23 Minuten Einsatzzeit zu überzeugen, da er schnell in das Spiel integriert wirkte und nach Tusches Ausscheiden Verantwortung bei den Standardsituationen übernahm.

Am Ende sollte jedoch nur noch der Anschlusstreffer zum 2:3 durch Silvio gelingen, den ein echter Schiedsrichter mit einer klaren Linie und klarer Regelauslegung aber möglicherweise aufgrund eines leichten vorangegangenen Remplers auch nicht anerkannt hätte. Sei es wie es sei, ärgerlich war es allemal, dass man als bessere, spielstärkere und gefährlichere Mannschaft am Ende mit leeren Händen dastand - und das zu allem Überfluss auch noch in Paderborn.

Die Stadt, die auch mit einsetzendem Schneegraupel nicht attraktiver wird. Die Stadt, dessen Dom das spektakuläre Drei-Hasen-Fenster in einem Innenhof vor den Touristen versteckt hält. Die Stadt, deren Spätis auf dem Weg zum Stadion an einem Freitagabend über keinerlei Biervorräte verfügen. Die Stadt, deren Einwohner mit absoluter Ernsthaftigkeit behaupten, Stuttgart sei ihnen zu schmutzig. Die Stadt, dessen Basketballer nach einem Online-Möbeldiscounter benannt sind. Die Stadt, die einen Verein beheimatet, der einem vor Spielbeginn mit Anna-Maria Zimmermann die "Schlager Nummer 1 in Ostwestfalen-Lippe" (Zitat SCP-Website) feierlich präsentiert. Die Stadt, die in jeglicher Hinsicht als Panoptikum der Absurditäten daherkommt und den Wirtschaftsflüchtling Paul daher logisch konsequent zu folgender und alles auf einen Punkt bringende Aussage nötigte: "Das ist echt scheiße hier!", was von der illustren Reisegruppe (Reiseleiter, Spreewaldschurke, Exil-Leipziger mit Keule) stillschweigend nickend bestätigt werden konnte.

So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass nach Abpfiff die Mission darin bestand, dieser Stadt schnellstmöglich den Rücken zu kehren. Den Reiseleiter sollte es nach Münster verschlagen (vielen Dank an "Noel" für die sitzbeheizte Mitfahrgelegenheit...! / vielen Dank an meinen Therapeuten für die Herberge und die angeleitete Fahrradtour zur Kunstakademie bei Minus zwölf Grad!), der Wirtschaftsflüchtling ward nicht mehr gesehen und fand sein ganz großes Glück in Osnabrück oder bei einer Blinden in Minden (was bekanntlich immer noch besser ist als bei einer Tauben auf dem Dach), während es den Rest der Reisegruppe nach Bielefeld trieb.

Dort traf man dann am Sonntagnachmittag wieder aufeinander, um gemeinsam das Wochenende in der Regionalbahn abzurunden, nachdem der Reiseleiter und Autor noch eben schnell seinen Frühstücksgeschäftsessentermin zur Kontaktpflege mit der Bielefelder Zahnfee mit Bravour hinter sich gebracht hatte. Ein kurzer Blick auf die Uhr, mittlerweile zeigt das Datum: Fünfterzweiter. Halt, da war doch was! Genau, wir Chronisten schreiben heute den Geburtstag des Spreewaldschurken und Tusches schönster aller Freistöße ist zudem auch genau heute vor einem Jahr in die Maschen der ollen Tante eingeschlagen. Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist. Wir "kaufen" zu diesem Anlass noch einige westfälische Bierspezialitäten und treten endlich die Rückreise in die gelobte Stadt an.

Im Zug nach Braunschweig lädt der Spreewaldschurke sogleich zum Mitfeiern, indem er den Mitreisenden seinen Geburtstagskuchen anbietet. Überproportional viele Menschen lehnend mit einer gewissen Portion Skepsis in den Blicken, aber höflich dankend ab. Komisch, seinen Schnaps hatte er letztes Jahr noch spielend auf dem Weihnachtsmarkt unter die Leute bringen können... naja, bleibt mehr für uns - und unsere mittlerweile aufgegabelten Wochenendticket-Leidensgenossen Sebastian und Siemen. Gemeinsam erleben wir in etwa auf Höhe Ovelgünne einen abschließenden Aha-Effekt, als uns die Deutsche Bahn auf einem ihrer Infoscreens erklärt wie gefährlich Streusalz für Hundepfoten sein kann. Is ja 'n Ding. Hätt ick nich jewusst.

Um kurz nach Mitternacht erreichen wir Berlin. Die erste Auswärtsfahrt anno 2012 ist Geschichte. Die U5 fährt im Pendelverkehr. In sieben Stunden schreibe ich eine Klausur, zu der ich pünktlich (Pflicht!) und nüchtern (Kür!) erscheinen werde. Ich bin unheimlich gut vorbereitet. Vielleicht werde ich nach schwarzem Star gefragt, vielleicht nach Drei-Hasen-Fenstern, Hundepfoten und Streusalz. Vielleicht.

Hauptsache es wird nicht danach gefragt, warum man an einem Freitagabend bei Minusgraden freiwillig nach Paderborn fährt. Ich hätte nur eine sehr kurze Antwort parat: Eisern!

Tore: 1:0 Proschwitz (7. FE), 1:1 Mattuschka (15.), 2:1 Brückner (50.), 3:1 Meha (62.), 3:2 Silvio (70.)
Zuschauer: 7.543
Schiri: Robert Kempter

Paderborn: Kruse, Mohr
(26. Wemmer ), Strohdiek, Gonther (68. Demme), Alushi, Brandy, Bertels , Meha, Krösche (79. Rupp), Brückner, Proschwitz

1. FC Union Berlin:
Glinker, Madouni (67. Stuff), Pfertzel, Kohlmann, Menz, Quiring (67. Belaid), Karl, Mattuschka , Ede, Terodde, Silvio

Dank an Holger für Bericht und Bilder!